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Auf den Müll, verbrannt

Hermann Heins war 1. Schriftführer im Sportverein, und Lehrer an einer Schule in Wilhelmsburg. Er wohnte bei seinen in Fleestedt und fuhr mit dem Fahrrad nach Wilhelmsburg. Er war auch aktiv in der Leichtathletik dabei. Als er heiratete wohnte er kurze Zeit in Hinteln bei Nenndorf. Dann bekam er eine kleine Dachwohnung in Hittfeld. Er betätigtre sich auch weiter aktiv im Verein. Dann bekam er in Wilhelmsburg eine Wohnung. Als die Zeit herankam für die Jahreshauptversammlung, schrieb Fritz Becker als 2. Schriftführer die Einladungen. Sie wurden an die Mitglieder gegeben. Becker holte sich die Adresse von Hermann Heins, schickte ihm dann eine Einladung mit Begleitschreiben. Zu der Versammlung erschien Hermann Heins nicht. Fritz Becker wurde zum l. Schriftführer gewählt. Nach der Versammlung fuhr er eines Tages zu Hermann Heins, um die Vereins-Unterlagen abzuholen. Dieser erklärte ihm, daß er keine Unterlagen mehr besitze. Er hätte zu seinen Umzügen keinen freien Tag von der Schulverwaltung bekommen. Seine Frau wäre allein mit dem Möbelwagen nach Wilhelmsburg gefahren. Man hätte eine Nachbarin gegen Bezahlung gebeten, die alte Wohnung zu säubern. Wahrscheinlich habe die Frau, die die Wohnung gereinigt hätte, die Papiere, das Protokollbuch und sonstiges brennbare Material auf den Müll geworfen. Der Müll sei inzwischen schon verbrannt worden. Denn er, Hermann Heins, habe, nachdem er die Einladung zur Versammlung bekommen habe, nach den Vereinsunterlagen gesucht und vergeblich geforscht. Er vermute, daß es sich wohl wie beschrieben zugetragen habe.


Nach Fleestedt - wegen der Leberwurst

Wilstorfer Jungs hatten schon immer eine besondere Vorliebe für Fleestedt. Und fragt man den einen oder anderen, dann heißt es oft:
Ich bin auch einer von den Neu-Fleestedtern, bin erst knapp 40 Jahre hier. Eigentlich komme ich aus Harburg, bin in Wilstorf geboren. So einer ist auch Wolfgang Röhl. "Meine ersten Fußballjahre nach dem Krieg habe ich bei der Freien Sport-Vereinigung Harburg (FSV) verbracht. Ich weiß noch, wie wir in der Wilstorfer Höh, dem Vereinslokal, 1946 gesessen haben. Da war ich A-Jugendspieler..." Schuld daran, daß aus dem Wilstorfer dann doch ein Fleestedter wurde, hat auch Willi Bostelmann. "Ich kannte den Willi", erzählt Wolfgang, der mit seiner Gisela seit 1991 am Hoopter Eibdeich wohnt. "Ich war Autoschlosser in der Wilhelmstraße in Harburg, Lehrling. Dann kam Willi immer mit seinem Trecker an. Beim Kursus in der Tanzschule Wittig hörte ich dann, daß in Fleestedt auch Fußball gespielt wird. Mit zwei anderen bin ich dann dort mal aufgetaucht, wir wurden uns mit Willi schnell einig. Auch darum, weil es von Willi Bostelmann immer mal ein Leberwurstbrot gab. Denn wir als junge Kerls waren in der Vorwährungszeit doch immer hungrig."
Von den Dreien, die sich für den TuS entschieden, blieb nur Wolfgang übrig. Als Torwart begann seine Karriere in der zweiten Mannschaft. "Aber dann hat sich Heinzi Tolle verletzt und plötzlich durfte ich in der Ersten spielen, damals zusammen mit Hermann Riege und Seppl Nowek." In der Kreisliga, dem Hamburger Fußball-Verband angeschlossen, spielte der TuS. "Es war schon seltsam", erinnert sich Wolfgang. "Wurden wir Zweiter in unserer Staffel, dann stieg nur der Meister auf. Stiegen aber zwei Mannschaften auf, dann verpaßten wir den Sprung in die obere Klasse auch nur knapp. Aber nie kamen wir eine Klasse höher." Sehr zum Kummer auch von Trainer Adsche Koch, der später beim Harburger Turnerbund die Oberliga-Mannschaft trainieren sollte, die zusammen mit dem HSV, St.Pauli, Holstein Kiel, Werder und anderen großen norddeutschen Mannschaften in der damals obersten deutschen Klasse spielte. Adsche Koch, ein Fachmann. Aber nach Fleestedt kam er nur, weil es nach dem Spiel immer einen Teller warme Suppe gab.
Zehn Jahre hat Wolfgang Röhl in der ersten Mannschaft das Tor gehütet, aber nicht nur das. "Oft mußte ich auch zwei Spiele hintereinander machen. Im Vorspiel, in der Reserve, habe ich im Feld gespielt. Als Verteidiger oder auch als Rechtsaußen. (Denn damals durfte nicht ausgewechselt werden und war jemand verletzt, dann hieß es: Geh mal auf Rechtsaußen, damit ein Mann gebunden wird). Das zweite Spiel habe ich dann gleich nach der Reserve in der Ersten gemacht, dann aber als Torwart." Wasser im Knie stoppte die aktive Laufbahn von Wolfgang, der nur noch einige Male bei den Alten Herren kickte. Die schönsten Erinnerungen? "Das waren die Spiele gegen die HSV-Reisemannschaft, wenn die Star-Truppe auf die Dörfer zog. Willi Bostelmann bezahlte die Gäste immer - in Naturalien, in Wurst und Speck." 1949 hatte Wolfgang seine Gisela geheiratet, in Fleestedt hatten sie eine Wohnung gefunden. Und wieder hing es mit Bostelmann zusammen, daß Wolfgang dem Fußball nicht verloren ging. Beim Bier saßen sie zusammen, Hans Marquardt war dabei, der zweite Mann von Willi Bostelmann. "Wolfgang, Du wirst doch verrückt ohne Fußball! Mach doch was!"
Und Wolfgang machte "was". "Die D-Jugend kam gerade vom Training. Wir hatten eine Elfer- und eine Siebener-Mannschaft. Die Siebener - das waren natürlich die schwächeren Spieler. Aber dafür waren sie hervorragend gekleidet - mit englischen Trikots. Einer der Väter hatte dafür gesorgt." Was zunächst nur ein bißchen Spaß sein sollte, wurde schließlich ein Glücksfall für den TuS. 1970 übernahm Wolfgang Röhl die ller-D-Jugend des Vereins. Die Namen haben heute noch einen guten Klang, wurden doch einige hervorragende Fußballer: Dirk Fidler, Olaf Stefanides, Torsten Lehmann, Fred Weißbrich, Olaf Böhmer, Lars Rohr und auch Jörn Mecklenburg, Stefan Meyer und Arndt Meyer. In dieser Zeit wurde der Grundstein für eine Mannschaft gelegt, um die Fleestedt später von den Nachbarn beneidet wird. Es ist die Mannschaft, die den Aufstieg in die Landesliga schaffte. Fleestedt - gegenüber Meckelfeld, Maschen, Hittfeld und Winsen nur ein Dorf. Aber keiner dieser angeblich so großen und starken Vereine spielte in einer so hohen Klasse. Und daß die in Fleestedt spielenden Männer keinen Pfennig kassierten, ja selbst noch jedes Jahr einen nicht kleinen Betrag in die Mannschaftskasse zahlen mußten, ist auch ein Ergebnis guter Arbeit in der Vergangenheit. Denn auch wenn das "Elf Freunde sollt ihr sein" meistens belächelt wird - in Fleestedt in den achtziger und neunziger Jahren war die Freude am Spiel, das Leben in dieser Gemeinschaft den Männern wichtiger als manche Mark, die der eine oder andere mit Sicherheit bei einem Nachbarverein hätte kassieren können. Die Zeit mit dieser Mannschaft war sicher die schönste für Wolfgang Röhl und auch für Frau Gisela. So das Freundschaftsspiel gegen Rönneburg, als Felix Magath zum ersten Mal dabei war. Und schließlich das 1:0 gegen Maschen in Hittfeld, als Felix Magath Beifall klatschte, als die Röhl-Truppe Meister der D-Jugend wurde. Schöne Reisen wurden gemacht in den Harz. Und unvergessen die Reise zu Schwarz-Weiß Essen, die Heinz Stemmer organisiert hatte, der einst in der 1. Mannschaft des Wesrvereins zusammen mit Leuten wie "Fiffi" Gerritzen spielte,und immernoch davon erzählt. "Heinz Stemmer hatte ein Prachtquartier im Vereinshaus besorgt", erinnert sich Gisela Röhl. "Wir durften auf Rasen im Stadion spielen und "Aue Strauß hat das Spiel gepfiffen." Natürlich gab es eine kleine, viel belachte Panne. "Schuld hatte Stefan Acker, der immer ein bißchen vergesslich war", wie Gisela sich erinnert. "Stefan, hast Du auch alle Deine Sachen zusammen?", wurde der Junge vor der Anfahrt gefragt. "Ja, natürlich", die Antwort. Er hatte natürlich nicht, er hatte ein Unterhemd vergessen. Also noch einmal zurück...
Und in Erinnerung bleibt auch die Fahrt ins Sauerland. "Zwei Spiele mußte unsere D-Jugend in drei Tagen austragen. Haben die Jungs mit links geschafft", so Wolfgang. "Der Clou aber war eine Schuhputzmaschine im Hotel. Da waren die Jungs mit ihren Tretern gar nicht mehr wegzubringen. So sauber waren die Dinger noch nie!"
1982 übernahm die Familie Röhl die Bewirtung im Clubhaus. Aue Strauß, der schon viele Jahre zusammen mit Wolfgang Röhl gearbeitet hatte, übernahm die 1. A-Jugend. "Ich hatte nicht mehr die Zeit, im ganzen Bezirk herumzureisen, darum habe ich die zweite A übernommen. Da mußte ich nur im Kreis reisen." Aber die Röhls waren nicht nur gute Wirte, Wolfgang war auch ein sehr guter Platzwart. "Wer wie ich so viele Jahre gespielt hat, der weiß, wie wichtig ein gepflegter Rasen ist." Die Spieler haben gar nicht gewußt, wieviel Arbeit sich Wolfgang in seiner Freizeit machte. Er tat jedenfalls mehr, als er verpflichtet war. Zu Zeiten von Günter Geschke fehlte wieder mal ein Trainer, Wolfgang Röhl sprang auch bei der Zweiten ein, pfiff ganz nebenbei etliche Spiele. Tja, und dann kam plötzlich im Jahre 1991 für viele der Schock. "Wir können gesundheitlich nicht mehr so, wie wir wollen. Wir müssen das Klubhaus abgeben. Wir haben die Chance zu unseren Kindern zu ziehen, wir werden in Zukunft in Hoopte wohnen", so die Familie Röhl.
Seit der Zeit hat Gisela nie wieder das Klubhaus betreten. "Ich kann es einfach nicht, ich würde wahrscheinlich heulen", sagte sie mir bei einem Gespräch - fünf Jahre nach dem Abschied von Fleestedt. Und Wolfgang. "Mit der Gesundheit könnte es besser sein, aber auch viel schlechter." "Und was macht der Fußball?" "Na ja, mit Enkel Torben, der in der C-Jugend bei Elbdeich spielte, war ich erst als Besucher, dann aber auch als Trainer dabei. Aber jetzt hat Torben sich eine andere Sportart ausgesucht." "Also kein Fußball mehr?" "Also kein Trainer mehr."
Volker Knuth erzählte mir im Mai 1996: "Ich hab Wolfgang Röhl getroffen. Wir haben uns lange unterhalten. Es war beim Spiel einer D-Jugend-Mannschaft in Ashausen. Sein Enkel Nils spielt bei Elbdeich..."
Das Interesse am Fußball hat Wolfgang nie verloren, aber den Weg nach Fleestedt scheute er.
Nie hat er darüber gesprochen, wer ihm wann was angetan hat. Er, der es im Leben nie leicht hatte, war ein sehr empfindsamer Mensch. Und sicher hat er auch darunter gelitten, dass die Zahl der Freunde immer kleiner wurde, und die Distanz zwischen Fleestedt und der Röhl-Wohnung an der Elbe im Zeitalter des Autos eigentlich leicht zu überbrücken war. Gisela Röhl dagegen, liebevoll von vielen "Höpen-Hexe" genannt, hatte nach wie vor ihren Freundeskreis in Fleestedt und war immer für ein Schwätzchen zu haben. Sie versorgte und betreute ihren Wolfgang, dessen Gesundheitszustand sich immer mehr verschlechterte und der viele Stunden im Rollstuhl verbringen mußte.


Zeitungsartikel aus den HAN vom 19. März 1984

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